Die Schlagersängerin Beatrice Egli und der deutsche Musiker Florian Silbereisen haben bei einem Auftritt den Song «1000 und 1 Nacht» von 1984 zum Besten gegeben. Dabei haben sie eine Songzeile abgeändert, weil ihnen das Wort «Indianer» missfiel. Der Hit-Macher Diether Dehm, der für den Text mitverantwortlich ist, meldete sich daraufhin via Facebook zu Wort und erstattete Strafanzeige gegen Egli und Silbereisen wegen Urheberrechtsverletzung.
Diether Dehm polterte in den sozialen Medien, dass die beiden Schlagersänger für die Verschandelung seines geschützten künstlerischen Werks allein wegen groben Unsinns in eine geschlossene Einrichtung gehörten. Er besteht darauf, dass seine «Kinder, Enkel und Urenkel jederzeit Indianer spielen dürften, so wie hoffentlich auch junge Indigene ewig und überall auf der Welt ‹alte weisse Männer› spielen dürfen sollen».
Diether Dehm hat sich nicht nur als Song-Texter, sondern vor allem mit seiner politischen Vergangenheit einen Namen gemacht. Zu DDR-Zeiten fungierte er als Spitzel der Stasi und beschattete den regimekritischen Chansonnier Wolf Biermann. Später politisierte er unter anderem sowohl für die SPD und die Linke – für Letztere schied er erst 2021 aus dem Deutschen Bundestag aus. Besonders kritisch wird vielerorts seine Nähe zu Verschwörungstheoretikern wie Ken Jebsen gesehen.
Ob sich Egli und Silbereisen öffentlich entschuldigen oder sogar mit einer Strafe wegen Urheberrechtsverletzung rechnen müssen, ist bisher nicht abschließend geklärt. Der deutsche Rechtsanwalt Philipp Obladen von der Kanzlei Obladen Gaessler in Köln erläutert die Sachlage: Dass Dehm mit seiner Strafanzeige Erfolg haben wird, hält er für «unwahrscheinlich». Grundsätzlich bezahlt die Verwertungsgesellschaft für Musik in Deutschland, die GEMA, nur dann Beträge an die Urheber, wenn der Inhalt bei einem Auftritt eins zu eins wiedergegeben wird. Es ist daher zu prüfen, ob hier eine Urheberrechtsverletzung vorliegt.
Er hat aber Zweifel, ob die Streichung eines Wortes in nur einer Songzeile zu einer Urheberrechtsverletzung reicht, «zumal nicht der Sinn des ganzen Liedes verfälscht wurde und das alte Werk nicht leidet». Ganz auszuschließen ist eine Strafe, jedenfalls eine zivilrechtliche Auseinandersetzung, laut Obladen aber nicht.
Der erste Fall sei zwar selten, könne aber in besonderen Fällen mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder empfindlichen Geldstrafen geahndet werden. Obladen sieht den Strafrahmen hier aber «als nicht ansatzweise ausgeschöpft», sofern Silbereisen und Egli nicht vorbestraft seien. Sollte die Urheberrechtsverletzung zivilrechtlich behandelt werden, ist zu prüfen, ob die Urheber von «1000 und 1 Nacht» Anspruch auf einen Schadensersatz haben.
Bisher gibt es keine offizielle Reaktion von Egli und Silbereisen auf die Strafanzeige. Es bleibt abzuwarten, wie die rechtliche Auseinandersetzung ausgeht und ob sie weitere Konsequenzen für die beiden Schlagerstars haben wird.
Für viele Fans und Kritiker ist die Auseinandersetzung um die veränderte Songzeile eine Frage der politischen Korrektheit und der kulturellen Sensibilität. Das Wort „Indianer“ wird von vielen als rassistisch und diskriminierend empfunden, da es ein Klischeebild von indigenen Völkern als primitiv und kulturlos perpetuiert. Andere argumentieren, dass es sich bei dem Lied um ein Produkt seiner Zeit handelt und dass man es im historischen Kontext betrachten sollte.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine veränderte Songzeile für Aufregung und Kontroversen sorgt. Im Jahr 2020 wurde der Rapper Kollegah wegen antisemitischer Lyrics in seinem Song „R.I.P.“ angezeigt. In dem Song stellt er den Holocaust in Frage und behauptet, dass „Auschwitz nur ein Ferienlager war“. Kollegah rechtfertigte die Texte als „Satire“ und „Provokation“, doch für viele waren sie unverzeihlich.
In beiden Fällen geht es letztendlich um die Grenzen der Kunstfreiheit und der Meinungsfreiheit. Wie weit darf man gehen, um seine künstlerische Vision auszudrücken oder seine politischen Ansichten zu vertreten? Und wer entscheidet darüber, welche Worte und Bilder in der Kunst erlaubt sind und welche nicht?
Die Debatte ist nicht neu, aber sie wird in Zeiten von Social Media und Cancel Culture immer intensiver geführt. Künstler und Kreative müssen sich heute mehr denn je fragen, ob sie mit ihren Werken bestimmte Gruppen beleidigen oder diskriminieren könnten und wie sie auf mögliche Vorwürfe reagieren sollen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Fall um die veränderte Songzeile von „1000 und 1 Nacht“ weitere Kreise zieht und welche Auswirkungen er auf die Schlager- und Popkultur haben wird. Eines ist sicher: Die Diskussion um politische Korrektheit und kulturelle Sensibilität wird uns noch lange begleiten.